Nachruf auf Paul Binder
Im September 2020 verstarb unser ehemaliger Klassenlehrer, Studiendirektor Paul Binder im Alter von 94 Jahren; nur wenige Tage später folgte ihm seine Frau Hedwig. Paul Binder studierte nach dem Krieg, in dem er als jugendlicher Flakhelfer eine Splitterverletztung erlitt, in Würzburg Biologie und Chemie für das Lehramt. Nach dem Studium war er zunächst als Lehrkraft an der privaten Marktbreiter Handelsschule tätig, bevor er in den Dienst der damals Städtischen Oberrealschule eintrat, dem heutigen Gymnasium Marktbreit, wo er bis zu seiner Pensionierung ab 1975 als Studiendirektor tätig war.
In den frühen 1950er Jahren war Paul Binder neben seiner Lehrtätigkeit auch noch gemeinsam mit seiner Ehefrau Hedwig als Erzieher in dem Köppelschen Schülerheim an der Ochsenfurter Straße tätig. Die damals geknüpften Kontakte mit den „Heimschülern“ seiner späteren Abiturklasse trugen ganz wesentlich zu der engen Verbundenheit zwischen ihm und uns bei, die bis zu seinem Tod im vergangenen Jahr angehalten hat.
Paul Binder hat sich nach dem aktiven Schuldienst in Marktbreit noch bis zuletzt ehrenamtlich betätigt, vor allem für den Heimatverein sowie das Museum Malerwinkelhaus und das Stadtarchiv. Die Stadt Marktbreit ernannte ihn zum Ehrenbürger und verlieh ihm für sein vielseitiges Engagement 2012 die Bürgermedaille.
Wir vom Abitur-Jahrgang 1961/62 fühlen uns geehrt, dass wir diesen Nachruf auf Paul Binder verfassen dürfen. Wir denken sehr gerne an ihn als „Lehrer“, der uns „wissen gemacht hat“ – wie es im Großen Duden „Etymologie“ aus dem Jahr 1963 als Erklärung des Begriffs „lehren“ formuliert ist. Er hat uns als Klassenleiter 4 Jahre bis zum Abitur 1962 begleitet. Paul Binder hat in dieser Zeit uns nicht nur Wissen eindrucksvoll vermittelt, wie etwa mit dem legendären Thermit-Experiment, sondern er hat mit seiner freundlichen zugewandten Art auch eine persönliche Beziehung zu uns aufgebaut, die all die Jahre bis zu seinem Tod anhielt.
Unvergessen sind aus dieser Schulzeit vor allem die großen Klassenreisen mit ihm, wie z.B. 1958 die Werksführung bei der BASF und den Besuch der Insel Mainau mit ihrem botanischen Reichtum – mit dem Schlenker durch Heidelberg. Ein Jahr später das Schulskilager in Österreich auf der Tiroler Schlickeralm – ein absolutes Novum für die Marktbreiter Oberrealschule. Unser damaliger neuer Sportlehrer Willi Enser war die treibende Kraft – Paul Binder ging das Wagnis ein, mit uns 17/18-Jährigen. Es ging alles gut im Schnee und auf der Hütte. Die „Main-Post“ berichtete hinterher: „Der Schikurs darf als voller Erfolg und als guter Auftakt für weitere Kurse angesehen werden“.
Der Höhepunkt und die eindrucksvollste Klassenfahrt war sicherlich unsere Berlinfahrt im Abiturjahr. Nur knapp 6 Wochen nach dem Bau der Berliner Mauer wagte Paul Binder gemeinsam mit seiner Frau Hedwig im Bus der Firma Klinger mit uns die Reise aus dem beschaulichen Marktbreit zum damaligen weltpolitischen Brennpunkt Berlin. Tiefe Eindrücke hinterließen bei uns neben dem Großstadterlebnis die allabendlichen kulturellen Ereignisse, wie z.B. ein Konzertabend mit dem berühmten Komponisten Igor Strawinski persönlich am Dirigentenpult, aber auch das Live-Erlebnis einer Flucht von Ostberliner Bürgern durch ein Obergeschossfenster in der Bernauer Straße.
Später, bei unseren vielen Klassentreffen in Marktbreit wurden diese Erlebnisse, aber auch Anekdoten aus dem Schulleben (ein Hauch von „Feuerzangenbowle“) gemeinsam mit Paul Binder immer wieder aufgewärmt. Einmal, 2008, hatten wir unser Treffen auf einen Ausflugsdampfer auf dem Main von Marktbreit nach Würzburg verlegt. Paul Binder mied wegen seiner Kriegsverletzung den Treppenaufstieg auf das Oberdeck des Dampfers. Wer sich unten zu ihm setzte, wurde im Gespräch mit ihm reich belohnt von unserem Mentor, der uns „wissen machte“.
Bei unseren künftigen Klassentreffen wird Paul Binder nur noch in Gedanken dabei sein – ebenso wie unsere schon verstorbenen Schulfreundinnen und Schulfreunde deren Gräber wir bei unseren Treffen besuchen – in unseren Herzen leben sie alle weiter.
Ilsemarie von Maydell und Georg Müller für die Abiturklasse von 1962
Klassenbild des Abiturjahrgangs 1962 mit Klassenlehrer Paul Binder:
(a) 1962 im Klassenzimmer
(b) 50 Jahre später vor dem Schloss, dem ehemaligen Schulhaus