Interreligiöser Spaziergang
Im Rahmen der Projekttage im März besuchten die Schülerinnen und Schüler der 7. Klassen an einem Tag zuerst die ehemalige Kitzinger Synagoge in der Landwehrstraße, dann die kath. Kirche St. Johannis und schließlich die türkisch geprägte Moschee in Etwashausen. Die Gotteshäuser liegen nur wenige Gehminuten voneinander entfernt, was zeigt, dass alle drei Religionen für unser Land prägend sind, auch wenn das Verhältnis zueinander immer wieder belastet war und ist.
Zuerst erhielten wir eine Einführung in die Geschichte der ehemaligen Synagoge durch Herrn Kappelmann bzw. Herrn Karl. Sie war erst 1883 von der engagierten und finanzkräftigen jüdischen Gemeinde errichtet worden. In der Reichspogromnacht 1938 wurde sie von SA-Trupps – unter Beifall der Bevölkerung – zerstört. Dies war der Auftakt zur Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung – ein Schandfleck auch der Kitzinger Geschichte. Seit ihrer Wiederherstellung 1993 dient die Synagoge als städtisches Kulturzentrum, wobei auch ein Gebetsraum eingerichtet worden ist. Frau Endres, tags darauf Ehepaar Karl, zeigte den Schülern Gebetsriemen, Sederteller und andere Gegenstände, die zum religiösen Leben einer jüdischen Familie gehören, und sie durften ein Stück Mazzenbrot kosten. Von der Balustrade zwischen den Türmen aus bot sich den Jugendlichen ein schöner Blick über die Dach- und Turmlandschaft Kitzingens.
Dann ging es weiter zur kath. St. Johanniskirche. Dort empfing uns Herr Knobling, Kuntsterzieher im Ruhestand, und erläuterte zuerst von außen die Baugeschichte und manche interessante Details der gotischen Hallenkirche (aus der Zeit um 1500). Im Inneren, unter dem feinen Kreuzrippengewölbe stehend, sprachen die Schüler miteinander einen Psalm. Es gab viele Ausstattungsstücke zu entdecken, die auf Inhalte und Geschichten des christlichen Glaubens verwiesen, so der Tabernakel und das Christophorus-Bild. Manches war auch für katholische Schüler keineswegs allbekannt.
Den Abschluss der interreligiösen Besuchsrunde bildete die Moschee in einem umgebauten Geschäftshaus in Etwashausen. Innen beeindruckte die Schülerinnen und Schüler der prächtig ausgestattete Gebetsraum mit typischen Kachel-Ornamenten und einem flauschigen Teppichboden. Imam Özkan Akku und die Gemeindereferentin Safiye Klein hießen die Gruppe herzlich willkommen. Frau Klein erzählte etliches über islamische Religiosität und das Leben der Gemeinde: An Festtagen kommen über 500 Personen, Männer, Frauen und Jugendliche zum Gebet zusammen. Dann hatten die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, an einem Gebet teilzunehmen, das der Imam leitete, während Frau Klein die auf Arabisch gesungenen Verse übersetzte. Bevor wir uns zur Rückfahrt aufmachen mussten, wurden wir im Gemeinschaftsraum der Moschee mit Tee und Gebäck freundlich bewirtet.
Der Islam steht in der 7. Jahrgangsstufe in Religion und Ethik auf dem Lehrplan; schon letztes Jahr hatten wir die Kitzinger Moschee besucht. Nun wurde dies zu einer interreligiösen Rundtour erweitert. Ein vertiefter Einblick ist in diesem Rahmen natürlich nicht möglich, dennoch konnten die Schülerinnen und Schüler eine Gefühl für die Besonderheit der jeweiligen Religion mitnehmen – und für das was uns verbindet. Denn alle drei betrachten Abraham als den Stammvater des Glaubens an den einen Gott und haben wichtige Personen und Geschichten der biblischen Tradition gemeinsam. So sollte der Besuch dazu beitragen, Schwellenängste abzubauen.
Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich interessiert und aufgeschlossen, über manches aber auch verwundert – und bewiesen angesichts des kalten, windigen Wetters gutes Durchhaltevermögen. Der warme, mit Teppich ausgelegte Gebetraum der Moschee hatte es ihnen natürlich besonders angetan!
Matthias Wagner