„Wenn die Hoffnung langsam stirbt…“ Lesung von Schülerinnen und Schülern der Q11 in der ehemaligen Synagoge Obernbreit

 

Am Sonntag, den 26. Juni fand in besonderer Atmosphäre ein besonderer Abend statt, der die Teilnehmer in seinen Bann zog. Der Ort war die ehemalige Synagoge in Obernbreit, ein kahler, unverputzter Raum, der dadurch umso mehr die Aufmerksamkeit auf das Geschehen konzentrierte. Anlass war das Gedenkjahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Der Träger- und Förderverein, der sich den Erhalt dieses Denkmals auf die Fahnen geschrieben hat, veranstaltete in Kooperation mit dem Gymnasium Marktbreit eine Lesung aus Originalbriefen einer jüdischen Marktbreiter Familie aus den Jahren 1938-1941.

Dr. Scherer begrüßte als Vereinsvorsitzender die Anwesenden und übergab gleich an Dr. Richter, der in einer kurzen Einführung die Hintergründe der NS-Verfolgungspolitik, die Auswanderungsmöglichkeiten und ihre Grenzen erläuterte.

Die Schülerinnen und Schüler der Q11 (Laura Herrmann, Isabel Mayr, Kobi Brühl und Paul Sagstetter) hatten sich auf die teils antiquiert anmutende Ausdrucksweise vorbereitet und begannen vor voll besetztem Haus die Lesung aus den Briefen von Frida, Karl und Susi Lauber. Diese Familie hatte ursprünglich einen gutgehenden Landwirtschaftsbetrieb. Den Schikanen des NS-Systems gegenüber war sie jedoch machtlos und bemühte sich um die Ausreise nach Palästina. Der Sohn Ludwig hatte es dorthin geschafft, und die Briefe des Abends richteten sich alle an ihn. Seine Antwortbriefe sind nicht überliefert, aber er selbst hat diese Erinnerungen zu Lebzeiten an die Gedenkstätte Yad Vashem übergeben, von wo sie ihren Weg bis nach Obernbreit zurück gefunden haben. Gelegentliche erläuternde Zwischenbemerkungen erleichterten die Einordnung des Gehörten.

Die Eltern Karl und Frida erkundigten sich in ihren Schreiben nach den Möglichkeiten, auch in der erhofften neuen Heimat Landwirtschaft zu betreiben. Die Frage, welche Pflüge man mitbringen solle, zeigte die langsam schwindende Hoffnung, wirklich mit einem Ausreisezertifikat nach Palästina zu kommen. Die Tochter Susi, die ihrem Bruder teils viel offener und auch zunehmend besorgter schrieb, war bereits nach Brüssel in vermeintliche Sicherheit gebracht worden. Von dort drängte sie ihren Bruder, die Eltern „aus dieser Nazihölle“ zu retten.

Die Zuhörerinnen und Zuhörer waren sichtlich beeindruckt von den Schilderungen der Reichspogromnacht in Marktbreit, wie das 13jährige Mädchen sie erlebte und dem Bruder berichtete, von der zunehmenden finanziellen Not der Familie, die einerseits die teils absurden finanziellen NS-Forderungen erfüllen musste, und gleichzeitig die Ausreise bezahlen sollte. Die Hoffnung verließ mit jedem Monat die Familie mehr und mehr, bis mit Kriegsbeginn und Ausreiseverbot 1941 auch die Briefe endeten. Eltern und Tochter waren im März 1942 nach Osten deportiert und dort ermordet worden. Im letzten Text des Abends beantragte der überlebende Sohn die Übertragung des Besitzes der ermordeten Eltern an ihn selbst.

Der Abend wurde durch ein Ensemble (Freya Hager, Charlotte Latein, Mathilde Wölfle) unter Leitung von Martin Oltsch musikalisch umrahmt. Die von ihnen ausgesuchten und gefühlvoll vorgetragenen Klezmer-Stücke durchlebten den gleichen Wandel wie die Texte, von anfänglichem Optimismus bis hin zu beklemmender Traurigkeit am Schluss.

(Ri)